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Die Erbschaftssteuer – Das sollten Sie hierzu wissen

Jörg Rapp im Interview

Die Erbschaftssteuer ist in Deutschland jene Steuer, die vereinfacht ausgedrückt grundsätzlich bei jeder Zuwendung von Vermögen im Wege einer Erbschaft oder Schenkung (auch vorweggenommene Erbfolge) beim Empfänger der Zuwendung anfällt. Hauptmerkmal ist also, dass keine Gegenleistungen erfolgen, die Zuwendung also unentgeltlich erfolgt. Wie hoch die Steuer ausfällt, richtet sich dabei immer nach der Höhe des ererbten bzw. geschenkten Vermögens sowie nach dem Verwandtschaftsgrad. Die Erbschaftssteuer wirft dabei immer wieder einige Fragen auf: Was habe ich für einen Freibetrag? Wann kann Vermögen steuerfrei übertragen werden? Und wie kann ich die Erbschaftsteuern optimieren? Diese Fragen und noch mehr beantwortet Ihnen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Jörg Rapp im folgenden Gespräch.

Jörg Rapp ist Fachanwalt für Steuerrecht, Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger sowie Mediator und seit über 20 Jahren im Erbrecht und Steuerrecht tätig. Davon war der Rechtsanwalt fast 15 Jahre bei einer internationalen gemeinnützigen Organisation tätig und hat für diese alle Nachlässe mit seinem Team abgewickelt und Stiftung betreut, gegründet und verwaltet.

Wann fällt Erbschaftssteuer in Deutschland an?

In Deutschland muss man zunächst zwischen der sogenannten Erbschaftssteuer und Schenkungsteuer unterscheiden. Die Erbschaftsteuer betrifft Zuwendungen von Todes wegen, die Schenkungssteuer Zuwendungen zu Lebzeiten. Es gibt wenige Vorschriften, die sich inhaltlich massiv unterscheiden, in den folgenden Ausführungen spreche ich daher nur noch vom Erbschaftsteuerrecht.

Das deutsche Erbschaftssteuerrecht prüft eingangs immer, ob im individuellen Fall sogenannte sachliche und persönliche Steuerpflichten bestehen. Dann gilt es z.B. die vorhandenen Freibeträge zu berücksichtigen und vieles mehr. Und am Ende kommt hoffentlich heraus, dass keine Erbschaftsteuer bezahlt werden muss.

Wie werden die jeweiligen Steuern berechnet?

Das ist eigentlich recht einfach. Zunächst muss man sich die Frage stellen: Welchen Wert hat ein Vermögensgegenstand, der jemandem zugewendet wurde? Dann zieht man hiervon Verbindlichkeiten ab, die im Zusammenhang mit der Zuwendung entstehen. Schließlich kommt ein Betrag heraus, steuerpflichtiger Erwerb genannt, und darauf wird ein bestimmter Steuersatz, den das Gesetz vorgibt, angewendet und die anfallende Erbschaftsteuer berechnet.

Im Erbschaftssteuerrecht werden neben Blutsverwandten auch Ehegatten und Lebenspartner berücksichtigt. Stief- und Adoptivkinder werden hierbei wie leibliche, blutsverwandte Kinder betrachtet.

Warum ist es bei der Steuerberechnung wichtig, wie nah ich mit dem Erblasser verwandt bin?

Zunächst einmal: Blutsverwandtschaft wird im Erbschaftsteuerrecht generell begünstigt. Allerdings auch der (nicht blutsverwandte) Ehegatte und Lebenspartner. So haben Ehegatten/Lebenspartner einen Freibetrag in Höhe von 500.000 EUR. Kinder haben beispielsweise einen Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR.
Achtung, weitere Ausnahme von der Begünstigung der Blutsverwandtschaft: Stief- und Adoptivkindern sind gerade im Normalfall nicht blutsverwandt, werden aber im Erbschaftsteuerrecht wie leibliche, blutsverwandte Kinder betrachtet und „erhalten“ daher auch den Freibetrag in Höhe von 400.000,00 EUR.

Bis wohin spricht man von einem Freibetrag & wann muss versteuert werden?

Der sogenannte Freibetrag wird im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht immer abgezogen.

Ein Beispiel:
Ein Erblasser hat ein Vermögen in Höhe von 400.000,00 EUR in Form einer Immobilie. Angenommen das Kind würde die Immobilie geschenkt, also zu Lebzeiten übertragen bekommen, so würde man den Freibetrag in Höhe von 400.000,00 EUR abziehen und hätte keine Erbschaftssteuer (Schenkungssteuer) zu zahlen. Läge der steuerpflichtige Erwerb bei 450.000,00 EUR, so unterliegt nur die Differenz in Höhe von 50.000 EUR (450.000  ./. 400.000 Freibetrag = 50.000) der Besteuerung. Bei diesem Beispiel würde ein Steuersatz in Höhe von 7% angewendet. In unserem Beispielsfall fiele demnach bei dieser Zuwendung (lebzeitige Vermögensübertragung) eine Steuer von 3.500,00 EUR beim Kind an.

Welche Ausnahmen gibt es, bei denen keine Steuer abgeführt werden muss bzw. steuerfrei geerbt/ zugewendet werden kann?

Einprägendes Beispiel für eine Steuerbefreiung ist das sogenannte Familienheim. Als Familienheim wird die Immobilie bezeichnet, in der ein Erblasser zuletzt lebte. Wenn dieses Familienheim innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall vom Erben (gilt nur für Ehegatten und Kinder!!) bezogen wird, so wird diese Immobilie als sog. Familienheim komplett von der Erbschaftsteuer befreit (Achtung bei Kindern: maximale Wohnfläche 200 qm!)

Gibt es Möglichkeiten, wie ich die Erbschaftssteuer verringern kann?

Um die Erbschaftsteuer zu vermeiden, sollte man sich am besten bereits zu Lebzeiten Überlegungen hierzu machen.
Warum? Zum Beispiel gibt es die Regelung, dass man alle zehn Jahre die Freibeträge wieder erneut zur Verfügung hat („sie erneut abziehen kann“).

Beispiel:
Erblasser schenkt seinem Sohn zu Lebzeiten 400.000,00 EUR Geldvermögen. Nach 10 Jahren kann er diesen Betrag wieder ohne Erbschaftsteuer schenken, da der Freibetrag wieder neu abgezogen wird und damit kein steuerlicher Erwerb vorliegt.

Eine weitere Möglichkeit Erbschaftsteuer zu optimieren, besteht darin, große Vermögensmengen zwischen den Ehegatten hin und her zu verschieben, indem ich den Güterstand verändere, sog. Güterstandschaukel. Hier gibt es dann z.B. spezielle Steuerbefreiungen, die es bei richtiger Gestaltung beim Fachmann ermöglichen, sogar Millionenübertragungen erbschaftssteuerfrei zu gestalten!

Man sieht also, bei rechtzeitiger Nachfolgeplanungen kann man zu Lebzeiten sehr viel Erbschaftssteuern sparen.
Auch nach dem Tod gibt es die Möglichkeit, wie z.B. durch eine gezielte Ausschlagung – insbesondere, wenn die Erbschaften kurz hintereinander erfolgt sind – Steuern zu sparen. Sie müssen sich dafür aber unbedingt immer von einem Fachmann beraten lassen.

Ist es sinnvoll, den Nachlass aufzuteilen, damit dieser womöglich nicht den Freibetrag übersteigt?

Definitiv kann man so auch richtig Erbschaftssteuer vermeiden! Man sieht das recht gut an folgendem Beispiel:

Der Erblasser hatte drei Kinder. Jedes dieser Kinder hat einen Freibetrag von 400.000,00 EUR. Gehen wir davon aus, dass der Erblasser ein Vermögen von 1,2 Mio. EUR hat. Bekommt ein Kind alles, dann muss dieses die Differenz in Höhe von 800.000,00 EUR versteuern. Werden auf jeden 400.000,00 EUR übertragen, bleibt die komplette Vermögensübertragung erbschaftsteuerfrei.

Besonders durch die frühzeitige Planung der Nachfolge kann man zu Lebzeiten Erbschaftssteuern sparen bzw. vermeiden.

Worauf sollte man beim Thema Erbschaftssteuer besonders achten? Gibt es irgendwelche Stolperfallen, die oftmals unbedacht bleiben?

Natürlich, es gibt viele Konstellationen, die zu handfesten Problemen führen können. Zuvor habe ich das Thema Familienheim angesprochen. Beim Ableben des Erblassers und dem Übergang auf Abkömmlinge darf das Familienheim nur eine bestimmte Größe haben, maximal 200 Quadratmeter Wohnfläche, damit diese spezielle Steuerbefreiung für das Familienheim überhaupt gilt!

Auch beim Thema Stiefkinder gibt es immer wieder einige Streitfragen: Ist es ein „echtes“ Stiefkind? Sind die Eltern also verheiratet? Am Ende stellt sich heraus, dass die Eltern nur zusammengelebt haben und nicht verheiratet waren. Dann gilt für die „Stiefkinder“ nur mehr ein Freibetrag von 20.000,00 EUR statt den 400.000,00 EUR.

Besonders in Patchworkfamilien sind auch abstammungsrechtliche Fragen zu beachten. Ist man biologisch verwandt oder rechtlich? In Deutschland gibt es nämlich die Möglichkeit, dass das auseinanderfallen kann.

Auch hier wieder ein Beispiel:
Ein Kind (außereheliches Kind) eines Dritten D mit Person A wird in der bestehenden Ehe zwischen Person A und Person B geboren. Das Gesetz stellt die Regel auf, dass ein während dieser Ehe von A und B geborenes Kind, auch tatsächlich deren gemeinsames Kind ist. D.h. bei Erwerb von A und B gäbe es einen Freibetrag von 400.000,00 EUR, beim Erwerb von D nur einen Freibetrag in Höhe von 20.000,00 EUR für Kind. Die rechtliche Vaterschaft ist also maßgeblich! Aber auch das kann man mit dem Fachmann lösen.     

Auch bei der ein oder anderen zivilrechtlichen Konstellation muss man immer wieder aufpassen, dass das Vermögen nicht zusammenfällt und kumuliert, besonders beim sog. Berliner Testament. Das ist hier in Deutschland ein sehr beliebtes Modell: die Ehegatten setzen sich für den Versterbensfall gegenseitig zu Alleinerben ein und dann z. B. die Abkömmlinge/Enkel als Schlusserben nach dem Letztversterbenden. Diese gegenseitige Erbeinsetzung ist allerdings steuerlich suboptimal, wenn man Vermögen hat, das über den Freibeträgen liegt. Warum? Weil sich hier das Vermögen beim überlebenden Ehegatten kumuliert und die steuerlichen Freibeträge nicht optimal genutzt werden können, nämlich zwei Mal. Aber auch das kann man wieder durch den Fachmann und spezielle Regelungen (z.B. durch ein Steuervermächtnis) verbessern!

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Jörg Rapp

Rechtsanwalt für Erbrecht

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